Was ist Òmnium Cultural?

Òmnium Cultural ist ein gemeinnütziger Verein mit mehr als 125.000 Mitgliedern und einer 57-jährigen Geschichte. Gegründet wurde er am 11. Juli 1961 in der finsteren, 40 Jahre dauernden Franco-Diktatur, um gegen die Zensur und die Verfolgung der katalanischen Kultur anzugehen. Der Verein versuchte zudem, die Lücke zu schließen, die durch die Abschaffung der von der Diktatur verbotenen politischen und öffentlichen Institutionen Kataloniens entstanden war.

Òmnium Cultural wurde von 1963 bis 1967 vom Franco-Regime verboten, konnte aber von Paris aus weiter agieren und im Untergrund die Sprache und die Kultur des Landes bewahren und fördern. Im Lauf der Jahre hat sich Òmnium Cultural zu einem der wichtigsten Zivilvereine der katalanischen Gesellschaft entwickelt.

Aktuell ist Òmnium Cultural einer der größten gemeinnützigen Vereine in Spanien und gehört zu den bedeutendsten Kulturorganisationen in Europa. In Katalonien ist Omnium zweifelsohne eine Säule der Kultur- und Sprachförderung und eine Schlüsselfigur in der Verteidigung der Menschenrechte. Dabei expandiert die Organisation gleichzeitig nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch weltweit.

Seit 2010 organisiert Òmnium Cultural gemeinsam mit der Assemblea Nacional Catalana (ANC, Katalanische Nationalversammlung) die europaweit teilnehmerstärksten, friedlichen Demonstrationen für das Recht der Katalanen und Katalaninnen, über ihre politische Zukunft frei und demokratisch mittels eines Selbstbestimmungsreferendums zu entscheiden.

Òmnium Cultural finanziert sich zu 99% aus den Beiträgen und Spenden seiner Mitglieder und nur zu 1% aus Einnahmen der öffentlichen Hand für Kulturprojekte. Mit 44 lokalen Niederlassungen und 90 Angestellten beträgt das Budget des Vereins im Jahr 2018 etwas mehr als 7 Millionen Euro.

Wer ist Jordi Cuixart?

Der Vorsitzende von Òmnium Cultural, Jordi Cuixart, ist ein 43-jähriger katalanischer Unternehmer und Aktivist.

Seit dem 16. Oktober 2017 befindet sich Cuixart auf Anweisung der spanischen Audiencia Nacional (Sondergericht für Staatsverbrechen) in Untersuchungshaft, ohne festgelegten Gerichtstermin. Aufgrund der Anklage wegen Rebellion seitens der Staatsanwaltschaft, des Staatsanwalts und der rechtsextremistischen Partei VOX wird ihm der Prozess vor dem Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) gemacht. Eine Verurteilung kann bis zu 30 Jahre Gefängnis nach sich ziehen. Cuixart ist im Gefängnis, weil er Grundrechte verteidigt und Rechte ausgeübt hat, wie das Recht zu Demonstrieren und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf das katalanische Referendum vom 1. Oktober 2017.

Jordi Cuixart engagiert sich seit seiner Jugend in Vereinen für einen gesellschaftlichen Wandel und ist Mitglied oder Mitarbeiter in dutzenden Vereinen und Projekten in Katalonien. Er ist auch für seinen Einsatz für die Wahrung der Menschenrechte weltweit bekannt, und besuchte im Sommer 2016 als Mitglied von Amnesty International unter anderem das Flüchtlingslager Vasiliki in Griechenland. Auf Grund seiner pazifistischen Grundhaltung verweigerte er auch den Militärdienst.

Cuixart ist seit 1996 Mitglied von Òmnium. 2015 wurde er wegen seines Engagements für die Werte des Vereins – die Förderung der Sprache und der Kultur, der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Bildung und das Recht auf Selbstbestimmung – zum Vorsitzenden gewählt. Nach auf den Tag genau 8 Monaten Untersuchungshaft wurde er im Juni 2018 wiedergewählt; bei der teilnehmerstärksten Generalversammlung in der Geschichte des Vereins.

Cuixart begann im Alter von 16 Jahren in einer Fabrik zu arbeiten. Im Jahr 2003 gründete der 28-Jährige seine eigene Firma „Aranow“, die sich der Herstellung von Maschinen für Verpackungsmaterial widmet und einen weltweiten Export von 90% verzeichnet.

Cuixart lebt in Barcelona und hat ein Kind mit der Journalistin Txell Bonet. Er stammt aus einem bescheidenen und pflichtbewussten Elternhaus und vertritt daher die Meinung, dass Migration ein wichtiger Teil der Gesellschaftsstruktur ist und einen Reichtum für Katalonien darstellt. Seine Eltern sprechen Spanisch, weil seine Mutter in den 1960er-Jahren aus der spanischen Region Murcia nach Katalonien einwanderte.

Warum sitzt Jordi Cuixart im Gefängnis?

Nach 18 fehlgeschlagenen Versuchen der katalanischen Institutionen, um mit der spanischen Regierung eine Einigung über ein ausgehandeltes Referendum zur Selbstbestimmung zu erzielen, stimmten die Bürger Kataloniens am 1. Oktober 2017 über ihre politische Zukunft ab. Trotz der Präzedenzfälle von Quebec oder Schottland und der 80%igen Mehrheit in der Bevölkerung, die ein Referendum fordert, stieß dieses Referendum auf eine massive Gegenwehr seitens der spanischen Regierung unter Mariano Rajoy und auf das Verbot durch das spanische Verfassungsgericht. Die spanischen Polizeikräfte, die bereits Wochen vor der Abstimmung nach Katalonien entsandt wurden, agierten den Tag der Abstimmung derart gewalttätig, dass insgesamt 1066 Verletzte gemeldet wurden. Die ganze Welt war schockiert und Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch zögerten nicht, diese Gewalt als exzessiv zu bezeichnen. Die Kommission für Menschenrechte der UNO und der Europarat forderten eine unabhängige und effektive Untersuchung dieser Ereignisse.

Bereits Tage vor dem Referendum fanden zahlreiche Durchsuchungen, Verhaftungen und Beschlagnahmungen von Werbe- und Wahlunterlagen statt. Die Pressefreiheit wurde kontinuierlich ausgehebelt als Polizeieinheiten ohne richterliche Verfügung Zeitungsredaktionen durchsuchten und Websites ohne vorherige Ankündigung sperrten.

Omnium Cultural hatte das Projekt „Ruf nach Demokratie“ zur Unterstützung des Referendums ins Leben gerufen und war somit ebenfalls von der Sperrung seiner Website und der Beschlagnahmung der Vereinszeitung betroffen. Trotz dieser feindlichen Atmosphäre, die bis zum 1. Oktober mit Cyber-Angriffen und der Konfiszierung von Dutzenden Wahlurnen und Tausender Wahlzettel andauerte, konnten am Ende des Wahltages mehr als 2,2 Millionen Stimmen gezählt werden von 43% der Wahlberechtigten, mit einem klaren Ergebnis von 90% für die Unabhängigkeit.

Der formellen Unabhängigkeitserklärung durch das katalanische Parlament folgte eine gnadenlose Repressionswelle seitens der spanischen Regierung, die de facto die katalanische Autonomie aufgehoben, die Regierung und hunderte öffentliche Amtsträger abgesetzt, das Parlament aufgelöst und Neuwahlen einberufen hat. Der Sitz von Òmnium Cultural wurde zwei Mal von der spanischen Guardia Civil durchsucht.

Der Widerspruch einer gewaltlosen Rebellion

Tausende Menschen und Amtsträger werden für ihre Unterstützung des Referendums juristisch belangt. Zu den ersten, die auf Anordnung der spanischen Audiencia Nacional am 16. Oktober 2017 verhaftet wurden, zählen die Vorsitzenden der zwei großen katalanischen Bürgerbewegungen Jordi Cuixart (Òmnium Cultural) und Jordi Sánchez (Assemblea Nacional Catalana). Dieser Haftbefehl wurde später vom Tribunal Supremo aufrechterhalten. Die ursprüngliche Anschuldigung lautete auf Aufstand, weil sie zur Demonstration vor dem Sitz des Wirtschaftsministeriums während der Durchsuchung durch die Guardia Civil am 20. September 2017 aufgerufen hätten, wobei sie von ihrem freien Recht auf Demonstration Gebrauch machten und zudem ihre Friedfertigkeit den ganzen Tag über unter Beweis stellten.

Auf Sànchez und Cuixart wurden noch weitere sieben Personen inhaftiert, darunter der damalige Vizepräsident der katalanischen Regierung, Oriol Junqueras, die Parlamentspräsidentin, Carme Forcadell, sowie andere ehemalige katalanische Regierungsmitglieder. Trotz fehlender Gewalt, ohne den der Strafbestand der Rebellion nicht existiert, werden alle genau dieser Straftat beschuldigt.

Zudem werden drei Ex-Regierungsmitglieder (Carles Mundó, Meritxell Borràs und Santi Vila) des Ungehorsams und der Veruntreuung angeklagt, eine weitere Abgeordnete (Mireia Boya) und fünf Mitglieder des Parlamentsvorsitzes (Lluís Maria Corominas, Lluís Guinó, Anna Isabel Simó, Ramona Barrufet und Joan Josep Nuet) des Ungehorsams.

Die Politisierung des Gerichtsprozesses, der voraussichtlich Anfang 2019 beginnt, scheint unvermeidlich. Die Audiencia Nacional, die die Untersuchungshaft angeordnet hat, ist ein direkter Nachfolger des „Außerordentlichen Gerichts des Franquismus“ (TOP: Tribunal de Orden Público), und wird von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen in Frage gestellt. Die Anklage wegen Rebellion wird neben der Staatsanwaltschaft und des Staatsanwalts, auch von der rechtsextremistischen Partei VOX, die Verbindungen zur Front National in Frankreich, der AfD in Deutschland und dem Rechtspopulisten Bannon in den USA pflegt, mittels privater Anschuldigung ausgeübt.

Um die Inhaftierung zu vermeiden, entschieden sich Carles Puigdemont und vier weitere Minister der ehemaligen katalanischen Regierung, nach Belgien und nach Schottland ins Exil zu gehen. Wegen drohender Haftstrafen gingen zwei weitere ehemalige Abgeordnete ins Exil in die Schweiz. Insgesamt befinden sich wegen des Referendums vom 1. Oktober und den Demonstrationen, die dem vorangingen, neun Personen im Gefängnis und sieben im Exil. Später hinzugekommen sind der Aktivist Adrià Carrasco und der mallorquinische Sänger Valtònyc, der für seine Liedtexte zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Der Verein Omnium Cultural ist seiner Rolle treugeblieben und organisiert gemeinsam mit anderen Organisationen friedliche Aktionen und Demonstrationen in Verteidigung der politischen Gefangenen und Exilanten.

Die Versuche der internationalen Auslieferung scheitern

Bis jetzt sind die spanischen Auslieferungsanträge gescheitert und haben die Ungleichheit der Kriterien in Bezug auf die Bewertung der angeblichen Verbrechen deutlich gemacht. Die belgische Justiz hat die ehemaligen katalanischen Regierungsmitglieder ohne Kaution freigelassen und sich geweigert, sie an die spanischen Behörden zu übergeben. Die Entscheidung wurde mit Formfehlern und Regelwidrigkeiten im Auslieferungsantrag begründet. Alle Gerichte anderer EU-Staaten (in Deutschland und Belgien) haben den Exilanten die Freiheit gewährt. Vor diesem Hintergrund, bei dem nur eine Ausweisung wegen Veruntreuung von öffentlichen Geldern möglich gewesen wäre, entschied sich der spanische Untersuchungsrichter Pablo Llarena, die europäischen und internationalen Haftbefehle zurückzuziehen, eine Entscheidung, die das spanische Justizsystem bloß stellt.

All diese Fakten belegen einen klaren Mangel an grundlegenden Zivil- und Kollektivrechten im spanischen Königreich, der besonders stark im Umgang mit Katalonien ausgeprägt ist. Omnium kritisiert diese Entwicklung mit seiner Kampagne „Morgen trifft es vielleicht dich“, eine Initiative, die gemeinsam mit katalanischen Menschenrechtsorganisationen ins Leben gerufen wurde und die auf die Auswirkungen des sogenannten „Maulkorbgesetzes“ (Gesetz zur Sicherheit der Bürger, 2015) abzielt. Aufgrund dieses Gesetzes wurden bereits mehr als 20.000 Menschen seit seiner Einführung angeklagt. So werden aktuell Schauspieler, Sänger und Twitterer verfolgt, Bürgermeister abgesetzt, Webseiten ohne vorherige Ankündigung gesperrt und Veröffentlichungen konfisziert. Das sind Vorgehensweisen, die einer konsolidierten europäischen Demokratie unwürdig sind.

Weltweit haben sich kritische Stimmen gegen diese Handlungen und Einstellungen erhoben, von Amnesty International bis zu diversen Friedensnobelpreisträgern. Sie bedauern, dass Spanien, um ein politisches Problem zu lösen, den Weg der Repression und der Verletzung von Menschenrechten einschlägt, anstatt den Weg des Dialogs und der Verhandlung.